Kammerkonzert mit Olivier Messiaen

Harmonischer Blütenstaub? Bebende Tropfen im Regenbogen? Und daran vorüberziehende Vögel? Der Pianist Piotr Kaczmarczyk hatte schon ein bisschen recht, als er in der Einführung zu Olivier Messiaens „Quartett für das Ende der Zeit“ erst mal den Skeptiker mimte: „Schräge Musik, irgendwie seltsam.“ Was dann beim 1. Kammerkonzert der Augsburger Philharmoniker gespielt wurde, war eher himmlisch.

Die kammermusikalische Sonntags-Matinee mit Neuer Musik mag Traditionalisten abgeschreckt haben – gut besucht war das MAN-Museum trotzdem. Und Kaczmarczyks „Warnung“ war ja auch nicht ernst gemeint. Dank  der vom Komponisten mitgelieferten Interpretationshilfen ist der „Quatuor pour la fin du temps“ von 1941 auch gar nicht so schwer zu verstehen: Ein hoch katholisches Stück, das primär – und obwohl in einem deutschen Gefangenenlager geschrieben und uraufgeführt – mit dem „Ende der Zeit“ nicht etwa die Apokalypse des Hitlerkrieges oder die Martyrien der KZ-Opfer beschreiben will, sondern, ganz „harmlos“, jenes biblisch prophezeite Zeitenende, an dem der Engel des Herrn das „Aufsteigen des Menschen zu seinem Gott“ verkündet, weshalb der letzte Satz ein Lobgesang ist, der, so Messiaen weiter, „ganz und gar Liebe“ sei.

Mächtige Töne absoluter Gewalt

Messian hat diese fromme Vision mit persönlichen Vorlieben angereichert – seiner Liebe zu Vögeln etwa oder seinem Interesse an indischer Musik und Zahlensymbolik. So kommt es, dass im Stück komplexe 10er-Metren ebenso zu hören sind wie die musikalische Umsetzung von Vogelgesang. Doch das ist viel zu theoretisch gedacht, denn was Messiaens Musik und die Augsburger Musiker tatsächlich boten, war weit weniger profan als solche Überlegungen. Dass Messiaen sich seinen Gott eher alttestamentarisch vorstellt, zeigte schon das erste Auftauchen des Verkünder-Engels im zweiten Satz: Das Ende der Zeit kündigt sich nicht mit freudigen, sondern mit mächtigen Klaviertönen an, mit der Demonstration von absoluter Gewalt, ausgedrückt mithilfe clusterähnlicher Haromonik. Der Komponist scheint vom Zuhörer dialektisches Denken zu fordern: Den Sinn dieser Erlösung im Schrecken nämlich demonstriert erst der folgende Satz. Bettina Aust ließ mithilfe ihrer Klarinette Messiaensche Vögel aus dem Nichts auftauchen, leise hauchen, verzagt zunächst und nur verhalten zum Jubel sich aufschwingen – und dann melancholisch, traurig, depressiv verlangsamt wieder im tiefen Abgrund jener Zeit versinken, die nun deutlich als ein Zustand geschildert war, dessen Beendigung Glück verheißen muss. Im folgenden Scherzo-Satz wagt Messiaen einen tanzartigen Ausbruch – fast ein Witz, ein sarkastischer Kommentar zum Vorangegangenen – , während der fünfte Satz dann liedartig melodiös und unbegreiflich „schön“ daherkommt – interpretierbar vielleicht als das völlig dem Intellekt Verschlossene, das der Glaube an die Erlösung erfordert.

Zwischenapplaus leider nicht möglich

Nach fünf Sätzen hatte man schon manche Gelegenheit vorübergehen lassen, die man spontan gerne zum begeisterten Zwischenapplaus genutzt hätte – sowas gehört sich aber bei der Kammermusik nicht, man muss damit aufs nächste Jazzkonzert warten. Und das musste man sich weiterhin verkneifen: Auch Inker Dwars‘ Cellospiel, beispielsweise im sechsten Satz gefordert beim rhythmischen, schnellen Unisono im Quartett, durfte man erst am Ende beklatschen. Besser ging das mit der Geige: Geeta Abad durfte ihr Instrument im Schlusssatz so langsam und schön „zu extremer Höhe“ aufsteigen lassen, wie der Komponist das fordert – und dann nahtlos den Schlussapplaus entgegennehmen. Der galt aber natürlich trotzdem dem ganzen Quartett, das Messiaens einstündiges Stück mit feinfühligster Auffassung und in nahtlosem Zusammenspiel bravourös und hinreißend gemeistert hatte. „Schräg“ und „seltsam“ war daran natürlich gar nichts.

Foto: Ein Werk aus den 40er-Jahren, aufgeführt im MAN-Museum und damit im Baustil der 30er – besser konnte es kaum passen (Foto: Frank Heindl).