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Neue Musik war am vergangenen Samstag groß angesagt:  Gleichzeitig mit dem vormittäglichen Messiaen-Kammerkonzert gab es im Textilmuseum die erste Aufführung von Steve Reichs „Music for 18 Musicians.“ Dieses Konzert wurde glücklicherweise am Abend wiederholt – und zwar nicht nur einfach nochmal gespielt, sondern beim zweiten Mal mit Tanz und Visuals angereichert. Ich war zunächst skeptisch, dann aber begeistert – weil die Qualität des Dargebotenen dreifachberauschend war.

Steve Reichs 80. Geburtstag wurde im Textilmuseum mit Musik, Tanz und Visuals großartig begangen (©Jay Blakesberg).

 

18  Musiker seien knapp bemessen, erfuhr man bei der Einführung durch Wolfram Winkel – in dieser Besetzung müssten Musiker zwischen Marimbaphon und Flügel wechseln und dabei nicht nur ein anderes Instrument, sondern auch komplett entgegengesetzte Rhythmen spielen, weshalb im tim also 19 Musiker auf der Bühne standen. Ein weiterer Künstler Anwesender spielte die Visuals live auf drei Leinwänden ein, dazu kamen dann noch Tänzer von zwei Augsburger Tanzschulen.

Anfangs sah man wenig: Sparsam wurde die Bühne nur von der Notenpult-Beleuchtung erhellt. Mit Beginn der Musik schuf das die Atmosphäre eines Rituals – sich sanft im Takt wiegende Sängerinnen, ein Cellist, der wild den Kopf im Achtel-Rhythmus schaukelte – und nach ein paar Minuten dann auch die von der Komposition erzeugte Stimmung meditativer Aufgewühltheit, die Reichs Musik so einzigartig macht: Minutenlang sich wiederholende, komplexe rhythmische Strukturen, die auf minutenlang gleich bleibenden harmonischen Strukturen ruhen – Ruhe und Bewegung gleichzeitig also und daraus resultierend das Gefühl von Strömung, von Wellenbewegungen, der Eindruck eines mächtigen Auf und Ab von enormer Kraft. Es musizieren vier Sängerinnen, Cello, Geige, Klarinetten, vier (!) Flügel, Marimbaphone und Percussionsinstrumente, und sie schaffen einen Assoziationsrahmen ohnegleichen.

Marice Ravel, Mike Oldfield, Philip Glass und David Bowie

„Hilfe, ein Verrückter!“, soll eine Zuhörerin gerufen haben, als Maurice Ravels „Bolero“ 1928 uraufgeführt wurde. Ein Erfolg wurde das Stück trotzdem, aber seine suggestive Wirkung auf ein unvorbereitetes Publikum muss damals enorm und eben auch verstörend gewesen sein. Steve Reich setzt deutlich intensiver als damals Ravel auf dynamische Elemente, die Lautstärke schwillt nicht nur an, sondern auch wieder ab – und zwar in manchen Instrumentengruppen über sehr lange Zeiträume, in anderen in kurzen Takten. An solche Methoden haben wir uns gewöhnt, unsere Rezeption hat sich angepasst – zum heutigen Erfahrungsspektrum gehört beispielsweise Mike Oldfiels Album „Tubular Bells“ von 1973 ebenso wie Godfrey Reggios Experimentalfilm „Koyaanisqatsi“ von 1982 mit der Musik von Philip Glass. Die „Music for 18 Musicians“ gilt nicht umsonst als „Neunte Sinfonie“ und „Schlüsselwerk“ der Minimal Music“. Gleichzeitig ist das Werk aber auch verwurzelt in tiefer liegenden Schichten: Ich habe in meiner Konzert-Ankündigung auf David Bowies Diktum verwiesen, es handle sich um „balinesische Gamelan-Musik, verkleidet als Minimalismus.“ Das ist nicht besonders spitzfindig, sondern sehr naheliegend, wenn man auch nur ein Mal Gamelanmusik gehört hat. Und doch ist auch dieser Aspekt bemerkenswert – das Werk wurde 1976 uraufgeführt, als der World Music-Trend noch kaum zu spüren war, und der balinesische Sound ist keineswegs vordergründig oder gar aufdringlich.

Tanz und Visuals erweitern die Musik zu noch mehr Kunst

Ich war anfangs und auch noch mitten im Stück sehr skeptisch, was die Verknüpfung von Reichs Musik mit Tanz und Visuals anbelangt. Von MehrMusik-Macherin Ute Legner stammt die Idee, und sie führt zunächst und ohne Zweifel zu einem Mangel an Konzentration für die Musik. Denn auf drei hinter den Musikern aufgehängten Leinwänden malt Zack Marlow-McCarthy vom Augsburger Lab Binaer live seine computergesteuerten Grafiken an die Wand, deren Wirkung man sich kaum entziehen kann und die die Assoziation oft in ganz andere Richtungen lenken. Strahlenbündel, die sich scheinbar nach vorne bewegen und dabei dreidimensional erscheinen, Licht-Geäst, das sich im Davonschweben und Kleinerwerden und in Reaktion auf das An- und Abschwellen der Musik zu glitzernden Weihnachtsbäumen verdichtet…

Und dann auch noch die Tanz-Beigaben: Zunächst eine Tänzerin, deren weite, offene Bewegungen sich, angelehnt an die Entwicklung der Musik, allmählich mehr und mehr verengen und schließlich zum Stillstand kommen. Später ein Paar, das die Musik auf faszinierende Weise aufnimmt: sie schreiten in „Wellenbewegungen“, die aufgehalten und akzentuiert werden durch kleine, unerwartete „Hüpfer“, die ebenfalls die Musik widerspiegeln. Wunderbar – und an dieser Stelle wechselte meine Skepsis zu Begeisterung -, wie die Bewegungen des Paares sich allmählich zur Zeitlupe verlangsamen; sehr gut mitgedacht auch, dass der Tanz oft der Musik ein kurzes Metrum lang Vorlauf lässt und dann auf die Veränderungen reagiert. Das war nicht nur schön anzuschauen, sondern rang Reichs Musik, die mitunter auch hermetisch und geschlossen wirken kann, neue Möglichkeiten und Wirkungen ab, öffnete sie für noch mehr Kunst. Und machte so aus Ute Legners MehrMusik-Devise diesmal auch ein Mehr als Musik.

Nachsatz:
Man kann die Music for 18 Musicians problemlos im Netz hören, ebenso Philip Glass‘ Koyaanisqatsi-Musik, auch der Film steht ungekürzt und downloadbar im Netz. Die urheberrechtliche Problematik ist aber so diffus, dass ich darauf verzichte, diese Möglichkeiten hier zu verlinken.

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Ein Sonntag für Liebhaber Neuer Musik https://auxkult.de/2016/11/24/messiaen-und-steve-reich/ https://auxkult.de/2016/11/24/messiaen-und-steve-reich/#respond Thu, 24 Nov 2016 17:09:15 +0000 https://auxkult.de/?p=2135 Continue reading "Ein Sonntag für Liebhaber Neuer Musik"]]> Olivier Messiaen im MAN-Musem, Steve Reich im „tim“

Wer Neue Musik mag, der kann am kommenden Sonntag auf großartige Weise auf seine Kosten kommen. Schon vormittags um elf Uhr findet das 1. Kammerkonzert der Augburger Philharmoniker statt – und zwar an einem suggestiven, für moderne Musik großartig geeigneten Ort: Im MAN-Museum, inmitten großer Maschinen, wird Olivier Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ gespielt. Am Abend geht’s dann in einer ebenso hervorragend geeigneten Location weiter: Im Textilmuseum wird die „Music for 18 Musicians“ von Steve Reich gespielt, begleitet von einer Tanz-Choreografie und visuellen Kompositionen von „Lab Binaer“. 

Messiaens Quartett für das Ende der Zeit ist ein Werk in acht Sätzen für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier. Der Komponist (1908-1992) hat dieses Werk in Deutschland vollendet – in Görlitz, im deutschen Kriegsgefangenenlager. Dort wurde in den Waschräumen geprobt, die ungewöhnliche Instrumentierung ergab sich aus den im Lager verfügbaren Musikern. Die Uraufführung fand im Lager am 15. Januar 1941 vor ca. 400 Kriegsgefangenen statt, der Komponist selbst spielte Klavier. Im Juni zuvor hatte Messiaen, schon damals Gefangener der Deutschen, „Abgrund der Vögel“, geschrieben, ein Solowerk für Klarinette. In Görlitz fügte er weitere Sätze hinzu und schuf so das „Quartett für das Ende der Zeit“.

«Unser Verlangen nach Licht, nach den Sternen und Regenbögen»

Messiaen erläutert den Titel durch eine Widmung an „jenen Engel der Offenbarung, der, die Hände zum Himmel erhoben, das Ende jeglicher Zeit verkündet“, und konkretisiert im Vorwort den Zusammenhang der Komposition: „Die musikalische Sprache ist im Wesentlichen körperlos, geistig, katholisch. Die thematischen Motive, die melodisch und harmonisch eine Art tonale Allgegenwart ergeben, bringen den Hörer der Ewigkeit in Raum und Unendlichkeit näher. Besondere Rhythmen tragen nachdrücklich dazu bei, das Zeitliche in die Ferne zu rücken.“ Die Vögel, die über dem Abgrund kreisen, bevor der Engel auftritt, symbolisieren laut Messiaen „das Gegenteil der Zeit“, sie sind „unser Verlangen nach Licht, nach den Sternen und Regenbögen!“- ein ebenso poetischer wie komplexer Zugang zu diesem Werk, das mitunter einfach atemberaubend schön ist. Es dauert etwa 50 Minuten.

Ein «Geburtstagsständchen» für Steve Reich

Zur selben Zeit, ebenfalls am Sonntagvormittag um elf, wird im „tim“ Steve Reichs „Music for 18 Musicians“ gespielt. Das ist aber kein Problem für Neue-Musik-Fans, die beide Konzerte hören wollen: Glücklicherweise findet um 19.30 Uhr eine Wiederholung statt. Anlass des Konzerts ist – neben Reichs meditativer, rhythmischer und deshalb äußerst mitreißender Musik – ein runder Geburtstag des Komponisten: er ist am 3. Oktober achtzig geworden. Im ausgewählten Stück (Konzeption: Ute Legner, Iris Lichtinger, Wolfram Oettl) spielt unter anderem der Atem eine wichtige Rolle: Die Klarinetten wie die Sänger bringen die Komposition zum „Pulsieren.“ „Es gibt nur eine Handvoll lebender Komponisten, die legitimer Weise für sich beanspruchen können, die Wegrichtung der Musikgeschichte verändert zu haben – Steve Reich ist einer von ihnen“, schrieb der  Londoner „Guardian“ über Reich, der andernorts als „Musik-Ikone des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wird.

David Bowie zählte das Stück zu seinen 25 Top-Alben

Wikipedia verdanke ich die Zusatzinformation, David Bowie habe das Werk 2003 in die Liste seiner 25 Lieblings-Alben aufgenommen und es als „balinesische Gamelan-Musik, verkleidet als Minimalismus“ bezeichnet. Begleitend zum Stück haben sich die „visuellen Künstler“ von Lab Binaer – dem Augsburger „Labor für Medienkunst“ – sowie die Choreographinnen Ema Kawaguchi und Magdalena Oettl mit Teilen des Stücks auseinandergesetzt. Sie bereichern die Abendaufführung mit ihren Interpretationen. Das Vormittagskonzert dagegen ist rein musikalisch, und wer mag, kann ein Doppelticket für beide Konzerte buchen. Dagegen spricht aber, dass ja um elf Uhr auch noch – sie oben. Für beide  Steve-Reich-Konzerte findet übrigens 45 Minuten vorher eine Werkeinführung statt.

Olivier Messiaen: „Quatour pour le fin du temps“ bei Youtube
Steve Reich: „Music for 18 Musicians“ bei Youtube

Steve Reich

im Textilmuseum, Provinostr. 46
Sonntag, 27.11. 2016, 11 Uhr (ohne Tanz & Visuals) / 19.30 Uhr (mit Tanz & Visuals)
Einführung jeweils 45 Minuten vor Beginn
Eintritt: € 15,–/€ 12,– (erm.); Doppelticket für beide Konzerte: € 25,–/€ 20,– (erm.)
Kartenreservierung: info@mehrmusik-augsburg.de
Kartenvorverkauf: tim-Museumskasse, Tel. 0821 – 810 015 26
Info: www.mehrmusik-augsburg.de

Olivier Messiaen

im MAN-Museum, Heinrich-von-Buz-Straße 28
Karten: Besucherservice des Theaters Augsburg und Abendkasse
Info: www.theater-augsburg.de

Und hier noch ein Text, den ich vor vielen Jahren über ein Mehr-Musik-Konzert im MAN-Museum geschrieben habe:

„Babylon“ – der Beginn der Verständigung

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https://auxkult.de/2016/11/24/messiaen-und-steve-reich/feed/ 0 2135
Anspielungsreiche Webkunst, magische Wirkung https://auxkult.de/2016/11/09/anspielungsreichewebkunst-magische-wirkung/ https://auxkult.de/2016/11/09/anspielungsreichewebkunst-magische-wirkung/#respond Wed, 09 Nov 2016 21:46:29 +0000 https://auxkult.de/?p=1986 Continue reading "Anspielungsreiche Webkunst, magische Wirkung"]]> Textilmuseum: In Jan Kucks „Arachne“ stecken auch Augsburger Elemente
Von Frank Heindl

 Draußen nächtliches Schneetreiben. Im Innern des dunklen Gebäudes rhythmisch-suggestive, archaisch anmutende Klänge von Marimba und Schlagwerk. Vor den meditativ versenkt scheinenden Musikern eine konzentriert lauschende und schauende Menge. Im Hintergrund Silhouetten von riesigen, kultisch anmutenden Kleidern, die per Lichtanimation wie von Zauberhand bemalt, ausgelöscht und wieder neu bemalt werden; auf die plötzlich und wie aus dem Nichts sich bewegende Menschen projiziert werden. Und hinter den Zuschauern, an der hohen, aber schmalen Rückseite des durch die gedimmte Beleuchtung höhlenartig erscheinenden Raumes, ein riesiger Wandbehang: viereinhalb Meter hoch, zweieinhalb breit, in dunklen Tönen von innen leuchtend, mal gelb-, mal grün-, mal rötlich. Eine sakrale Handlung? Ein religiöser Ritus? Nein – ein Vernissage im Textilmuseum: Dort wurde am Dienstagabend „Arachne“ von Jan Kuck präsentiert.

Auch die Hängung des Wandteppichs, der am Ende des langen Eingangsflurs im „tim“ geradezu an einen Altar erinnert, betont noch einmal den geradezu „kirchlichen“ Charakter eines Werks, das man in diesem Kontext eher als Installation bezeichnen könnte. „Arachne“ ist ein in aufwendigem handwerklich-technischen Prozess aus kompliziert bearbeiteten Glasfasern gewobenes, LED-beleuchtetes Kunstwerk des 38jährigen in Berlin lebenden Künstlers Jan Kuck. Dass das Werk gewoben ist, damit beginnt schon der anspielungsreiche Kontext, denn Webekunst passt natürlich ins Textilmuseum.

Aber verwoben in die ultramodernen Kunstfasern dieser mit „Teppich“ sehr unzulänglich beschriebenen Arbeit ist viel mehr. Zum Beispiel die uralte Tradition des Teppichwebens: Zum einen schwingt da die Phantasie vom fliegenden Teppich mit, auf die Museumsleiter Borromäus Murr in seiner Einführung hinweist, und darin wiederum die Assoziation von Garten und Paradies – in der persischen Überlieferung untrennbar mit dem Symbol des Teppichs verknüpft. Zum Anderen das ebenfalls uralte, tradierte Formprinzip, nach dem Kuck seinen Teppich gestaltet hat: Die auf dem Werk wiedergegebenen Bilder spiegeln sich in der Vertikale wie in der Horizontale, sodass jedes Motiv viermal erscheint – und auch die Motive selbst sind in sich schon doppelt gespiegelt und also vierfach vorhanden.

Fuggerei und Via Claudia Augusta

arachne-01a-foto-frank-heindl
Vernissage im Textilmuseum: Künstler Jan Kuck, umrahmt von Kuratorin Elisabetta Bresciani (links) und seiner Agentin Isabel Bernheimer. Foto oben: Detail aus Arachne. In diesem Ausschnitt, vierfach gespiegelt in jeder Ecke des Kunstwerks, verbirgt sich ein altes Foto der Augsburger Fuggerei (Fotos: Frank Heindl).

 

Diese Motive wiederum tragen reichhaltige Symbolik in sich: Das in den äußeren Ecken platzierte etwa bezieht sich direkt auf Augsburg und beruht auf einer alten Fotografie der Fuggerei. So wird auf den Reichtum der Fugger und seine Quelle im Stoffhandel ebenso angespielt wie auf den Ursprung des Kapitalismus, der damals noch nicht so hieß, aber schon im frühen 16. Jahrhundert soziale Verantwortung – oder vielleicht nur die Kunst sozialer Verbrämung unangemessenen Reichtums? – als Teil unternehmerischen Handelns gebar. In die Umrandung des Kunstwerks ist denn auch die Via Claudia eingewebt – der uralte Handelsweg, der Süddeutschland für Rom erschloss.

Nicht zufällig bildet den Mittelpunkt des Werkes das verfremdete Bild einer fernöstlichen Näherin – „als Symbol für alle anonymen Näherinnen der Welt“, wie der Künstler auf seiner Webseite  erklärt. Das deren Schicksal hart ist, darauf verweist eine ebenfalls verarbeitete Abbildung, die die Ruine der Rana Plaza zeigt, des Gebäudes in Bangladesch, das 2013 einstürzte und 1127 Menschen – zum großen Teil Textilarbeiterinnen – in den Tod riss.

Arachne – Weberin und mutige Frau

Schließlich gehört auch noch der Titel des Werks in den ausufernden Bedeutungszusammenhang: Arachne ist nicht nur jene Weberin der griechischen Mythologie, die es gewagt hat, die Göttin Athene herauszufordern und zur Strafe von der göttlichen Allmacht und Schönheit in eine hässliche Spinne verwandelt wurde – der Verweis auf Arachne ist gleichzeitig ein Verweis auf abendländische Tradition, auf europäisches Erbe, das sich in der Bildenden Kunst wie in der Webkunst fortsetzt. Und gleichzeitig ein Kommentar des Künstlers, der erklärt, auch und gerade heute wären viele, viele Arachnes nötig, mutige Frauen, die sich der von Männern beherrschten Ausbeutungswelt entgegenstellten.

Dies alles hintangestellt ist Kucks Arachne allerdings auch und vor allem ein Kunstwerk im ästhetischen Sinn: Denn all diese komplizierten Anspielungen verstecken sich hinter archaischen, wenn auch in komplizierten chemischen Verfahren „gemalten“ Formen, hinter der Schönheit vordergründig einfacher Strukturen. Und das Leuchten aus dem Inneren des (Kunst-)Stoffs erfährt der Betrachtern keineswegs als „LED-Licht“, sondern als magische Strahlung, als Wechsellicht und Farbenspiel, als langsamen Pulsschlag und regelmäßige Herzfrequenz eines inneren Vorgangs, den man als „Leben“ deuten kann oder auch, überörtlich und überzeitlich, als Entstehen und Vergehen, Aufleuchten und  Verlöschen von Kraft, Zauber, Energie und eben: Kunst.

 

Öffnungszeiten des Textilmuseums (Provinostraße 46):
Dienstag bis Sonntag 9 – 18 Uhr, Montag geschlossen.
Am 10. November bleibt das tim geschlossen, am 6. Dezember 2016 ist erst ab 13 Uhr geöffnet. Telefon (0821) 81001-50

 

 

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Überragend: Más que Tango zu Allerheiligen https://auxkult.de/2016/11/02/ueberragend-mas-que-tango-zu-allerheiligen/ https://auxkult.de/2016/11/02/ueberragend-mas-que-tango-zu-allerheiligen/#respond Tue, 01 Nov 2016 23:32:04 +0000 https://auxkult.de/?p=1935 Continue reading "Überragend: Más que Tango zu Allerheiligen"]]> Konzert und Lesung im Textilmuseum

Dass das Ensemble „Más que Tango“ für Qualität bürgt, hat sich mittlerweile rumgesprochen. Was das Quartett aber am gestrigen Abend im Textilmuseum geboten hat, war überragend: So kongenial interpretiert hat man Astor Piazzollas Musik selten gehört, die Konfrontation mit Werken anderer Komponisten ließ Funken sprühen.

Más que Tango ist kein festes Quartett: Pianistin Iris Lichtinger und Violinist Martin Franke holen sich für ihre Programme regelmäßig hochkarätige Mitmusiker – diesmal den neuseeländischen Cellisten Edward King und den Bandoneon-Virtuosen Michael Dolak. Letzterer ließ schon im ersten Stück, Piazzollas „Tristeza de un doble A“ spüren, dass er der Star des Abends sein würde: Mit geschlossenen Augen hätte man immer wieder meinen können, den 1992 gestorbenen Komponisten selbst zu hören – da stimmte jede Nuance, jeder Anschlag, jedes „Atmen“ des Bandoneons, jede Schwerpunktverschiebung, jede zart-rauhe Umspielung… Doch in den weiteren Stücken durfte man auch schnell feststellen, dass das Ensemble auf demselben Niveau mithalten konnte: Faszinierend, wie Violine und Cello ihre Stimmen aneinander lehnten, einander ablösten, begeisternd, wie auch die Violine bis zum i-Tüpfelchen, bis zum hinter dem Steg kratzenden Geigenbogen Piazzollas Stilmittel einzusetzen wusste, mitreißend, wie die Interaktion der Musiker hörbar, sichtbar, erlebbar wurde, wie ein Thema vom Cello zur Violine, zum Bass (der vom Klavier gespielt wurde) und zum Bandoneon wanderte.

Bach und Piazzolla – das passt

Geradezu erhellend war die Idee, in die Mitte der ersten Hälfte eine Allemande aus den Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach zu platzieren. So wurde deutlich, dass es da viele Gemeinsamkeiten gibt – etwa in den nicht enden wollenden Arabesken und Umspielungen, mit denen beide Komponisten ihre Themen durch die Kirchentonarten wandern lassen – auch wenn bei Piazzolla die Sprünge des Öfteren härter sind, manchmal gar chromatisch. Sicher: Bei Piazzolla ist der Rhythmus oftmals vordergründig. Während er bei Bach von innen kommt, nur im Hintergrund pulsiert, bleibt der Argentinier der Herkunft seines Musik treu: dem Tango, der deutliche, harte Rhythmen braucht, die bei Piazzolla oftmals ins Brutal-Aggressive umschlagen. Gemeinsam ist beiden Komponisten dagegen wieder die Form der Fuge, des komplex-vielstimmigen Ineinanderfließens und Auseinanderhervorgehens. Und gemeinsam ist ihnen natürlich auch das unaufhörliche Schwanken zwischen Dur und Moll, zwischen Hell und Dunkel, zwischen Offenbarung und Trauer.

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Er war der Star des Abends: Bandoneonist Michael Dolak. Foto oben: Martin Franke (Violine), Iris Lichtinger (Flügel) und Edward King (Cello). Fotos: Frank Heindl.
Schwierige Poesie mit bewegenden Momenten

Da es sich um ein Allerheiligen-Konzert handelte, war dieser Aspekt natürlich willkommen und wurde unterstützt durch Lesungen des Museumsleiters Karl Borromäus Murr. Er trug zwischen den Musikstücken Gedichte meist zeitgenössischer Autoren vor, deren Themen, dem Feiertag entsprechend, um Tod, Einsamkeit und Abwesenheit kreisten. Vieles war dabei leider zu schwierig, um es beim ersten Hören verstehen zu können, ohne den Text vor sich zu haben. Bewegend trotzdem etwa R.S. Thomas‘ „Die leere Kirche“, ein Text, der die Erlösung für gescheitert erklärt: Die Kirche wird als „Falle“ erkannt – „er kommt nicht noch einmal zu unserem Köder.“ Schön auch Wolfgang Hilbigs „Abwesenheit“: Abwesend sind beim ihm nicht die Toten, sondern wir, die Lebenden, deren Sprache zerbrochen ist. Und ergreifend der vorgetragene Teil aus Rilkes 1. Duineser Elegie: „Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn“, stöhnt der „große Poet der Abwesenheit“ (Murr) zu Beginn und endet in tiefer Verzweiflung: „Denn Bleiben ist nirgends.“

Das korrespondierte natürlich vor allem mit Piazzollas Stücken – mit der schwer erträglichen Spannung des „Libertango“, mit den zwischen Euphorie und Verzweiflung, zwischen Kampf und Resignation schwankenden Themen der „Milonga del angel“ und der „Muerte del Angel“: Im ersten Stück tanzt der Engel, im zweiten stirbt er – nicht nur die Stücke passten, der ganze Abend war perfekt durchkomponiert bis hin zur Zugabe und tosendem Applaus.

 

 

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Anstrengend, verstörend, fesselnd https://auxkult.de/2011/02/14/massnahme-2011/ https://auxkult.de/2011/02/14/massnahme-2011/#respond Mon, 14 Feb 2011 11:18:31 +0000 https://auxkult.de/?p=2165 Continue reading "Anstrengend, verstörend, fesselnd"]]> Brechts „Maßnahme“ im tim – ein großer Brechtabend

Der Andrang war enorm: Als am Sonntagabend im Textilmuseum (tim) zum Abschluss des diesjährigen Brechtfestivals „Die Maßnahme“ gespielt wurde, war nicht nur die Vorstellung schon seit Wochen ausverkauft. Auch zur vor­angehenden Einführung kamen weit mehr Menschen, als die Veranstalter erwartet hatten. Und sogar nach Ende der Vorstellung blieben viele, um mit Regisseur, Wissenschaftlern und Schauspielern zu diskutieren. Der Andrang bei Brechts wohl umstrittenstem Stück schien nicht dem Skandal, sondern einem sehr intellektuellen, in die Tiefe gehenden Interesse geschuldet zu sein.

Der 85jährige Literaturwissenschaftler Klaus Hanzog hatte bei der Vorbesprechung schon das Interesse in die richtige Richtung gelegt: Nicht auf Regiekniffe, assoziative Aktualisierungen, Interpretationen komme es heute bei der „Maßnahme“ an, sondern auf eine möglichst werkgetreue Inszenierung, da es erst herauszufinden gelte, was Brecht eigentlich gewollt habe. Ein gegen jede Art von Regietheater gerichteter Einwand, der hier ausnahmsweise gerechtfertigt schien – denn tatsächlich kennt kaum einer das Stück, hat es nur eine äußerst kurze Inszenierungsgeschichte, die schon kurz nach der Uraufführung (1930 in Berlin) abbrach und in der Nachkriegszeit nicht nur wegen des Kalten Krieges und der virulenten Brecht-Skepsis im Westen nicht wieder aufgenommen wurde – auch Brecht selbst, später seine Erben erlaubten keine Aufführung mehr.

Ein Lehrstück bei grellem Licht

Nun war es also endlich soweit, und David Brückel zeigte das Stück nach Meinung aller anwesenden Fachleute genau so, wie der Autor sich das vorgestellt hatte. Das grelle Saallicht blieb an, denn es sollte nicht Illusionstheater folgen, sondern ein Lehrstück für Schauspieler, unterstützt von einem 45-köpfigen Chor aus sehr jungen Sängern (Leitung: Andrea Huber) und sechs Musikern des Leopold-­Mozart-Zentrums (Musikalische Gesamtleitung: Geoffrey Abbott), die Hanns Eislers Musik aufführten.

Drei russische Agitatoren reisen nach China, um dort die Revolution in Gang zu bringen. Im Gepäck haben sie – sehr zur Enttäuschung der sie erwartenden Genossen – keine Traktoren, keine Maschinengewehre, nicht einmal einen Brief des Zentralkomitees, sondern nur die „Lehren der Klassiker“, die Revolution betreffend. Der junge Genosse, der die Agitatoren vor Ort unterstützt, versagt bei mehreren Aufträgen. Weil er nicht bereit ist, Mitmenschlichkeit und Mitleid, Wut und Verzweiflung über die ausbeuterischen Zustände um des langfristigen Zieles willen hintanzustellen, misslingen die Pläne der Agitatoren, wird die „endgültige“ Beseitigung der Missstände verhindert. Auf der Flucht wird er schließlich auch noch ein Hindernis für die anderen. Damit er nicht gefasst und erkannt wird, erschießen die Agitatoren ihn – mit seinem Einverständnis. Brechts Text zwingt den Zuschauer, über dieses Ende sehr ernsthaft nachzudenken. „Auch ihr jetzt denkt nach über eine bessere Möglichkeit!“, wird das Publikum aufgefordert, und in Brückels Inszenierung folgt eine sehr lange, sehr ratlose, sehr gedrückte Stille, die fast wie ein stilles Gebet für den erschossenen Genossen wirkt.

Viele Verfremdungseffekte und (k)ein Bühnenbild

Die Inszenierung hatte sehr stringent auf dieses Ziel hingearbeitet – und Brecht Text sowieso. Eislers Musik, seine erste Arbeit für Brecht, tönt mal choralhaft, mal schrill marschierend im Stil seiner bekannten Arbeiterlieder, peitscht mal auf, kann aber auch auf dissonante Art besinnlich sein, treibt konsequent das Geschehen voran. Und ist natürlich ein maßgeblicher Faktor in Brechts Bemühen, das Stück jederzeit als gespieltes Stück kenntlich zu machen – ein siebenköpfiger, lauter Verfremdungseffekt. So auch der Chor, der bei Brecht „Kontrollchor“ heißt und die Aufgabe hat, die zurückgekehrten Agitatoren zu befragen, nicht anklagend, sondern neugierig, lernend, an Ursachen und Wirkungen interessiert. Es sei unbedingt notwendig gewesen, dass die Chormitglieder junge Menschen seien, betont Geoffrey Abbott – Menschen, die Fragen stellen und nicht die Antworten schon zu kennen glauben. Für Chorleiterin Andrea Huber und ihre Sänger und Sängerinnen war es ein hartes Stück Arbeit, den Text so exakt zu singen, zu sprechen und zu betonen, dass nahezu jedes Wort verständlich war.

Ein Bühnenbild benötigte die Aufführung nicht – es gab aber doch eines: Die hintere Wand zierte die Kulisse der „Kunst der Komödie“, die das Stadttheater derzeit im tim aufführt. Das störte nicht, diente eher als weiterer V-Effekt. Und wo es bei Brecht als Regieanweisung heißt, „Zwei Agitatoren stellen die Kulis dar, indem sie an einen Pflock ein Tau anbinden und das Tau über der Schulter ziehen“ – da konnte dies nahezu wörtlich umgesetzt werden: Der Strick wurde an eine der roten Säulen gebunden, die den Raum stützen. Die Rolle des jungen Genossen spielten die vier Schauspieler – auch hier wollte Brecht jede Art von Identifikation vermeiden – abwechselnd, ein rotes Halstuch diente als Kenn­zeichen.

Auf grandiose Weise modern

Das Verblüffende war nun, dass die „Maßnahme“ tatsächlich jene „unerhörte Energie“ entfaltete, von der Kanzog in seiner Einführung mehrmals gesprochen hatte. Es war dies aber nicht die Suggestion des Schau­-, sondern die des Gedankenspiels. Es war großartig, in dieser Inszenierung zu erleben, dass Brechts Rezepte auch heute nicht nur noch funktionieren, sondern auf grandiose Weise modern sind. Und es war eine ebenso großartige Erfahrung zu erleben, dass das Publikum nicht nur bereit war, sich auf ein Experiment einzulassen, sondern auch dazu, diese Art von Gedankenarbeit zu leisten. Schließlich zeigte der begeisterte Applaus auch, dass Brecht nicht nur Spaß machen muss, um zu gefallen. Er durfte ruhig auch mal anstrengend, kontrovers, verstörend sein – und fesselte gerade dadurch.

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