„Musik war immer die wunderbarste Welt für mich“
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Iris Lichtinger – von der ganz alten bis zur ganz neuen Musik
„Neue Musik ist schwierig, man muss sich durch jedes Stück für eine längere Zeit durchackern.“ Der Satz stammt von Iris Lichtinger, und wer Neue Musik vom Zuhören oder vom Selbermachen kennt, der wird wohl zustimmen. Wer allerdings der Augsburger Flötistin, Sängerin und Pianistin in einem Café gegenüber sitzt und sich von ihren musikalischen Plänen vorschwärmen und anstecken lässt, der kriegt da seine Zweifel – so schwierig kann das „Neue Musizieren“ nicht sein, wenn jemand so viel Spaß damit hat wie sie.
Am kommenden Samstag gibt’s im H2 beim Glaspalast ein neues Konzert mit neuer Musik: „Artists in Evidence“ heißt die Veranstaltungsreihe, die Lichtinger sich mit ihren Kollegen ausgedacht hat – aber nicht die einzige. „Neue Musik im Gespräch“ ist eine andere Reihe, in der die jeweiligen Komponisten nicht nur anwesend sind, sondern sich auch im Anschluss an die Aufführung eines (oder mehrerer) ihrer Werke mit dem Publikum darüber unterhalten, eine weitere ist „open stage“ – hier werden Abende präsentiert, an denen jeder Musiker je ein Stück spielen kann. Demnächst wird auch noch „members only“ aus der Taufe gehoben – eine Reihe, in der Mitglieder der Augsburger Gesellschaft für Neue Musik porträtiert werden. „jetzt : musik!“ nennt sich dieser Verein, und wer vermutet, dabei müsse es sich um eine Konkurrenzveranstaltung zu Ute Legners mit dem Augsburger Theater vernetzter Institution „Mehr Musik“ handeln, der ist ganz und gar auf dem Holzweg. Die Neue Musik in Augsburg ist gut vernetzt, ihre jungen Triebe ranken sich nicht gegen-, sondern miteinander dem Publikum entgegen – und so ist „Mehr Musik“ Kooperationspartner bei vielerlei Aktivitäten von „jetzt : musik!“
Gemeinsam versuchen die beiden Vereine, das Publikum für die neue, komponierte Musik zu begeistern, deren Vermittlung nach wie vor nicht einfach ist. Das erfährt Lichtinger auch als Dozentin am Leopold-Mozart-Zentrum: Auch hier müsse sie Überzeugungsarbeit leisten und die Studenten dazu ermuntern, ihren eigenen Weg zu den Stücken zu finden und nicht erst mal im Internet nach Referenzaufnahmen zu suchen, an denen man seine Interpretation anlehnen kann. Man spüre als Lehrer schnell, so Lichtinger, „ob’s eine eigene Interpretation ist. Viele haben so eine große Angst, keine eigene ‚Autorisation‘ zu haben, die suchen sie dann bei Vorbildern“ – und das ist ja nicht ganz unverständlich in einem Genre, das weit mehr als die „klassische“ Musik auch vom Ausfüllen oftmals enormer Interpretationsspielräume lebt.
Nach dem Studium war noch eine Sehnsucht offen
Für Lichtinger selbst war der Weg zur Musik geradezu selbstverständlich: „Musik war immer die wunderbarste Welt für mich“, sagt sie, „es gab nie ein Nachdenken, ob’s da auch andere Möglichkeiten gibt.“ Der Weg begann am vom Klavier, das von Kindesbeinen an „immer in meinem Alltag drin“ war, beim Studium in Amsterdam kam noch die Blockflöte dazu. Anschließend war aber immer noch „eine Sehnsucht offen“ – weshalb auch noch Gesangsunterricht folgte. Gesang war für Lichtinger „eine große Herausforderung und ist es geblieben.“ Gab es da eine Nähe zwischen Gesang und dem Flötenspiel – beides sind ja musikalische Ausdrucksweisen, die sehr nahe am Ursprung der Musik liegen? „Die Blockflöte ist sehr zerbrechlich, so wie du den Ton formst, so kommt’s auch raus – aber Singen ist noch einen Grad direkter.“
Amsterdam als Musikstadt hat Lichtinger bleibend beeindruckt. In der Hauptstadt der Niederlande sei Neue Musik eine Selbstverständlichkeit, schwärmt sie, um sich sofort zu korrigieren: „Da ist jede Musik eine Selbstverständlichkeit!“ Neben der Neuen auch die Alte Musik, für die Amsterdam ebenfalls „eine der Quellen“ sei. So ist Lichtinger nicht nur beim Ultramodernen zu finden, sondern auch im „Forum Alte Musik Augsburg“, das sie zusammen mit sechs weiteren Musikern gegründet hat (Nächste Konzert im September im Fugger und Welser Erlebnismuseum mit spanischer Musik des 16. und 17. Jahrhunderts).
„Wir haben keine Scheu vor nix“
Nicht, dass Tatendurst der quirligen Musikerin und ihr Hunger nach Erkenntnis und Entwicklung gestillt wären: Von der Alten Musik „in Reinform“ entferne sie sich zunehmend, gesteht sie – derzeit reizt sie vor allem die „Fusion“ – die Vermischung von Elementen mehrerer Musikstile, etwa von Jazz mit Klassik, „durchaus auch mit Pop“.
Dieser Entwicklung dient das „Progetto Seicento“, ein Quintett mit Vibraphon, Cembalo, Geige, Cello – und Lichtinger mit Stimme und Flöten. „Schon die Besetzung vereint alt und neu“, schwärmt sie erneut und ergänzt, dass in diesem Ensemble neben den musikalischen Qualitäten durchaus auch charakterliche Eigenschaften der Musiker ausschlaggebend sind: „Wir haben keine Scheu vor nix“, strahlt sie, und plädiert für ein konkurrenzloses Nebeneinander der Stilrichtungen: „Für uns ist das nicht seltsam, sondern gleichbedeutend, das passt alles zusammen, das gehört alles in die Welt rein.“ So, wie in die Augsburger Welt ihrer Ansicht nach auch gut ein Festival für Neue Musik „reingehören“ würde. Kulturreferent Thomas Weitzel, hat Lichtinger festgestellt, oute sich gerne als Fan der Neuen Musik – finanzielle Unterstützung sei von der Stadt gleichwohl derzeit für solch ein Projekt leider nicht zu erwarten.
Japanische Musik am Samstag
Wer Iris Lichtinger live erleben will, kann das, wie erwähnt, schon am kommenden Samstag haben: In der Reihe „artists in evidence“ wird im H2 das Programm „tokyo to kyoto – japanische neue musik“ erklingen. Titel und Musik sollen eine Brücke schlagen zwischen den beiden Polen, unter denen Japan vor allem wahrgenommen wird: der Großstadthektik von Tokyo und der zen-buddhistischen Meditation in Kyoto. Lichtingers Interesse an Japan stammt von der Bekanntschaft mit einem in Deutschland lebenden japanischen Zen-Meister: „Der äußert Satz für Satz nur Dinge, die den Lebenskern erschüttern.“ – Ein Satz von Lichtinger, der gleichzeitig auch illustriert, mit welch großer Ernsthaftigkeit sie ihre Musik vorantreibt. Im H2 wird die Musik am Samstag von einem außergewöhnlichen Trio gemacht: Neben Lichtinger (Stimme und Blockflöten) spielen Marlis Neumann (Harfe) und Takeo Sato (Gitarre).
Mehr Info:
Forum Alte Musik Augsburg (FAMA): www.fama-web.de
Jetzt : musik!: http://www.jetztmusik-augsburg.de/
Progetto Seicento: https://www.facebook.com/progettoseicento