Augsburg-Beschimpfung
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Ein lustiger Suhrkamp-Band wiederholt Thomas Bernhards Sottisen gegen die „Lechkloake“
„Morgen in Augsburg“, stöhnt Caribaldi und fragt, ob es denn überhaupt einen Arzt gebe in diesem „muffigen, verabscheuungswürdigen Nest, in dieser Lechkloake.“ Thomas Bernhard hat seine Protagonisten aber nicht nur Augsburg beschimpfen lassen, sondern auch viele andere schön-grauenhafte Orte. Und Bernhards Verlag gießt nun Öl ins Feuer, hat die gesamte schlechte Städte-Laune zusammengefasst und Hintergrundmaterial dazu gepackt: „Städtebeschimpfungen“ heißt Suhrkamps Taschenbuch Nr. 4074 – lustig zu lesen!
So doof können nur Österreicher sein, oder? 1963 erscheint „Frost“, der erste Roman des damals 32jährigen und noch wenig bekannten Schriftstellers Thomas Bernhard. Über Weng, einen Ortsteil der Gemeinde Goldegg im Salzburger Land, äußert der Ich-Erzähler in „Frost“ unter anderem, es sei „der düsterste Ort, den ich jemals gesehen habe. […] tatsächlich erschreckt mich diese Gegend, noch mehr die Ortschaft, die von ganz kleinen, ausgewachsenen Menschen bevölkert ist, die man ruhig schwachsinnig nennen kann. Nicht größer als ein Meter vierzig im Durchschnitt, torkeln sie zwischen Mauerritzen und Gängen, im Rausch erzeugt. Sie scheinen typisch zu sein für das Tal.“
Für den Tourismus „sowohl positiv als auch negativ“
Im weiteren Verlauf wird die Landschaft um Weng als hässlich bezeichnet, die Stimmen der Bewohner beschreibt der Erzähler als „versoffen“, sie stächen „aus Schatten“ zu und hätten ihn „zuerst verwirrt, zum Weiterhetzen gezwungen.“ Ein Getriebener, Gehetzter, Verwirrter spricht da, ein Neurotiker, ein am Rande des Wahnsinns Schwankender, ein Unzufriedener, ein Nörgler, ein Mensch auf der Suche, der nicht weiß, wonach er sucht, möglicherweise nicht einmal weiß, dass er sucht. Aber wenn man unbedingt will, kann man das alles natürlich auch ganz, ganz ernst nehmen.
1965 erhält Bernhard für „Frost“ den Bremer Literaturpreis, da geht ja noch. Aber als 1968 der „Österreichische Förderungspreis für Literatur“ folgt, schlagen die Wellen hoch: Abgeordnete fordern den Salzburger Landeshauptmann auf, „gegen diese Beleidigung eines Teiles der Salzburger Bevölkerung Protest einzulegen“ und „zu intervenieren, dass in Zukunft solche Werke keine öffentliche Anerkennung mehr finden.“ Die Goldegger Gemeindevertretung erkennt zwar bauernschlau, die Auswirkungen auf den Tourismus könnten „sowohl positiv als auch negativ sein“, kann aber „nicht verstehen, dass in Österreich für einen Roman, der (…) eine österr. Landschaft namentlich und deren Bewohner in primitivster Ausdrucksweise beschreibt, der Staatspreis verliehen wird.“ (mehr …)